Albert Oehlen: Blind in Texas © Albert Oehlen / VG Bild-Kunst
Albert Oehlen: Blind in Texas © Albert Oehlen / VG Bild-Kunst

Albert Oehlen: Computerbilder

„Fertig machen muss es dann die menschliche Hand.“

 

Die Hamburger Kunsthalle widmet Albert Oehlen ausgerechnet mit jenen Werken die erste
große Einzelausstellung in ihrem Haus, die jahrelang von der Kunstwelt ignoriert wurden:
Die Rede ist von den „Computerbildern“. Sie führen Oehlens reizvollen Spagat zwischen
digitalem Entwurf und analoger Malerei vor Augen und schlagen ein neues Kapitel in der
Geschichte der Abstraktion auf.

 

20 Großformate, im Schnitt zwei mal zwei Meter, bis auf wenige Ausnahmen (es gibt auch
einige wenige Farbbilder) überzogen von einem schwarzen Linien- und Chiffren-Geflecht
auf weißem Grund. Das erste Obergeschoss der Galerie der Gegenwart ist derzeit einzig
und allein Albert Oehlens „Computerbildern“ gewidmet – und die machen sich in den licht-durchfluteten Räumen ausgesprochen gut. Nur würde man sie auf Anhieb nicht unbedingt
diesem Künstler zuschreiben. Albert Oehlen, einst Schüler von Sigmar Polke an der Hoch-
schule für bildende Künste Hamburg, wurde in den 1980er Jahren als einer der „Neuen
Wilden“ bekannt, als Kunst-Punk, dessen ironische, provokative, scheinbar dilettantische
Formensprache aus abstrakten und figurativen Elementen die Kraft und Farbigkeit eines
malerischen Hurrikans entfaltete. Wer ihn so abgespeichert hat, kann gut nachvollziehen,
warum die Kunstwelt seine digitalen, eher spröden Experimente in Schwarz-Weiß an
einem 1990 gekauften Notebook lange Zeit als „Fehlversuche“ abtat.

 

Die Geschichte der Abstraktion schien Ende der 1980er Jahre schon lange auserzählt,
alles Wilde, Figurative machte Furore. Oehlen jedoch begnügte sich nicht mit dem Label
eines Kunst-Rebells. Er wollte herausfinden, inwieweit ein technisches Instrument der
Abstrakten Malerei neue Impulse zu geben vermag. Dabei muss man sagen, dass sich
Albert Oehlen stets als Maler verstand und nicht etwa als Computerkünstler. Für ihn war
und ist der Laptop nur Mittel zum Zweck. Der eigentliche bildnerische Ausdruck entsteht
erst in der zweiten Phase des künstlerischen Prozesses, indem der Maler die digitalen
Pixelzeichnungen per Siebdruck auf seine Zwei-Meter-Leinwände überträgt und mit ana-
logen Techniken wie Acryl- und Ölmalerei überarbeitet.

 

In den beiden großen Werkgruppen, die nun in der Kunsthalle zu sehen sind, (eine
zweite erfolgte in den frühen 2000er Jahren), verschmelzen Handgemachtes und Com-
putergeneriertes zu einer Einheit, die der Künstler selbst als „bionische Malerei“
charakterisiert. Das Ergebnis ist eine eigenwillige, mitunter überraschend organische
Mischung aus strenger Regelhaftigkeit und informeller Experimentierlust.

 

Zur Faszination, die ein solches Werk auf den Betrachter ausübt, schreibt der Autor
Till Briegleb in seiner Betrachtung zu dieser Ausstellung: „Da die Mustererkennung
des Gehirns in abstrakten Strukturen unwillkürlich versucht, etwas Verständliches zu
entdecken, wird sie in diesen Bildern plötzlich reichlich fündig. Kunstrichtungen wie
Informel und Tachismus, aber auch die dynamischen Bildkompositionen von Kandinsky
und Klee dämmern in diesen Zufallslinien auf. In der jede Tiefe vermeidenden Zwei-
dimensionalität lassen sich Parallelen zur Kalligraphie entdecken, aber auch Augen,
Gesichter, Körper, Bewegungen sowie Schrift, Zahlen, Noten und Symbole. Archi-
tektonische Elemente treten hervor, wenn das Auge danach sucht, aber auch Hun-
dekacke, wenn der Titel es nahelegt: „Son of a Dogshit“ von 1997.“

 

In Zeiten, in denen digitale Techniken und Künstliche Intelligenz immer mehr in kreative
Prozesse eingreifen, beweisen Oehlens Computerbilder, dass man innovative Technik
nutzen kann, ohne dass der Künstler dabei seine Rolle verliert. Heute, 30 Jahre, nachdem
Oehlen mit dem damals noch neuen Medium zu experimentieren begann, ist Kunst mithilfe
von Grafikprogrammen längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Oehlens Vorsatz,
die rudimentäre Schwarz-Weiß-Ästhetik der frühen digitalen Zeichenprogramme zu nutzen,
um eine andersartige Malerei zu erschaffen, wird wohl nun auch verstanden als das, was
sie war: Eine Pioniertat. Und noch etwas wird deutlich beim Rundgang durch die Ausstel-
lung: Das Herzstück kreativer Arbeit ist und bleibt der Mensch.

 

Isabelle Hofmann

 

„Albert Oehlen. Computerbilder“, bis 2. März 2025, Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5,
20095 Hamburg, Di – So 10 – 18 Uhr, Do
bis 21 Uhr.
24./25.12. geschlossen, 31.12. 10 – 15
Uhr, 1.01. 12 – 18 Uhr.
Weitere Informationen auf www.hamburger-kunsthalle.de

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