Allee Theater: Die Csárdásfürstin
Intendant Marius Adam inszeniert Emmerich Kálmáns erfolgreichste Operette im Allee Theater
Die Csárdásfürstin“ entstand in einer schwierigen Zeit. 1914 hatte der Komponist mit der Arbeit daran begonnen. Dann brach der Erste Weltkrieg aus und niemand wusste, ob es überhaupt noch ein Theater
für die Uraufführung in Wien geben würde. Doch nach einer Unterbrechung setzte Kálmán die Arbeit mitten im Krieg fort und im November 1915 war es soweit: Die Operette wurde ein grandioser Erfolg.
„Ich bin ein großer Fan von Kálmán“, sagt Marius Adam. „Die ‚Csárdásfürstin‘ ist eine der reizvollsten Operetten, weil so viele Highlights darin vorkommen. Ein Schlager jagt den anderen. Es macht wirklich
Spaß, dieser Musik zuzuhören.“ Gleichzeitig wird die Aufführung in unserer Zeit aber auch zum Problem,
denn das Thema Krieg zieht sich durch das ganze Stück. „Das haben wir jetzt jeden Tag im Weltge-
schehen; das wollen die Menschen sicher nicht auch noch auf der Bühne erleben“, meint Adam. Außer-
dem sind die Texte und die Konstellation der Personen nicht unbedingt noch zeitgemäß. Inzwischen
wurden jedoch die Rechte an der Operette frei und eine Bearbeitung ist möglich. Das hat der Regisseur
mit feinem Gespür genutzt, ohne das Original zu verfälschen.
Die verwicklungsreiche Liebesgeschichte spielt in der Zeit der K.-u.-k.-Monarchie Österreich-Ungarn. Der
Fürstensohn Edwin liebt die Chansonsängerin Sylva – sehr zum Missfallen seiner Eltern, weil sie nicht
„standesgemäß“ ist. Während er ihr einen Heiratsantrag macht, um sie von einer Amerika-Tournee abzu-
bringen, erwirkt der Fürst Edwins Einberufung zum Militär. Als Sylva erfolgreich zurückkehrt, erfährt sie,
dass Edwin schon lange mit seiner Kusine Stasi verlobt ist, worauf sie verkündet, sie habe Boni, Edwins
Freund, in Amerika geheiratet. In den ist dummerweise jedoch Stasi heimlich verliebt. Natürlich – wie
meist in der Operette – endet das Ganze nicht in einer Katastrophe, sondern im allgemeinen Liebesglück,
bei dem auch die Fürstin-Mutter eine gewisse Rolle spielt.
In Marius Adams Bearbeitung bekommt sie zusätzlich eine besondere Bedeutung. „Im Original sind die
ganzen Handlungsstränge aus der Sicht des Fürsten aufgebaut“, erklärt er. „Ich habe das bewusst um-
gedreht.“ Das heißt: Jetzt hat die Fürstin das Sagen. „Jetzt ist sie es, die dem Sohn die ganze Zeit was
auf den Deckel gibt, und ihr Mann hat nichts mehr zu melden.“ Das ist umso kurioser, weil sie selbst
einst eine Diva im Kabarett war und sich erst in drei Ehen emporgeheiratet hat. „In der Schlussszene
blüht der Fürst auf und sie wird klein mit Hut. Diese Entwicklung fand ich spannender.“
Einen ganz neuen Aspekt gibt es auch musikalisch: Bei ihrer Rückkehr aus Amerika bringt Sylva die
Musik mit, die bis dahin in Europa völlig unbekannt war: Jazz und Charleston. „In Wien kannte man nur
Walzer, Walzer und nochmal Walzer, und in Ungarn den typischen Csárdás“, sagt Adam. Der musika-
lische Leiter, Ettore Prandi, hat nun auch einige jazzige Elemente in die Orchestrierung eingebaut.
Bei den Texten hingegen wurde eher eliminiert als hinzugefügt. Ein Zigeuner, der im Stück so wunder-
bar die Geige spielt, darf heute nicht mehr vorkommen. Und auch frauenfeindliche Sequenzen wurden
gestrichen. „Diese Sachen kann man wunderbar rausnehmen“, meint der Regisseur. „Wir wollen nicht
bewusst provozieren.“ Einen Geiger, der solistisch auftritt, wird es trotzdem geben, nur nicht das Wort
Zigeuner. „Die Mädis vom Chantant“ dürfen allerdings weiter als „Mädis“ tanzen, denn „Die Frauen vom
Chantant“ – das passt nicht. „Davon abgesehen ist die Sylva eine sehr starke Persönlichkeit“, ergänzt
Marius Adam. „Sie weiß sich gegen die ganze Männerwelt durchzusetzen.“
Gespielt wird sie von Anete Liepina, die ebenso wie Paulína Ovádková (Stasi) neu im Ensemble der
Kammeroper ist. „Beide kommen aus Wien und haben den Wiener Schmäh perfekt drauf“, freut sich
Adam. Aber auch Publikumslieblinge wie Feline Knabe (Fürstin) und Titus Witt (Varieté-Theaterchef
Feri) sind wieder dabei.
Für den Intendanten gab es in diesem November übrigens eine ganz besondere Ehrung: Das Allee
Theater mit den beiden Sparten Kammeroper und Theater für Kinder wurde für die Saison 2023/24
mit dem Barbara Kisseler Theaterpreis ausgezeichnet. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis, der dem
Andenken an die 2016 verstorbene Hamburger Kultursenatorin gewidmet ist, wird jährlich für die
Bedeutung und Qualität eines Privattheaters oder einer Freien Gruppe verliehen. „Alle Privattheater
in Hamburg träumen von diesem Preis. Für uns als kleines Haus in Altona ist das eine große Aner-
kennung unserer Arbeit“, meint Marius Adam. „Da fühlt man sich schon stolz!“
Brigitte Ehrich
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