Die Freundinnen Lila und Elena © Ralf Hinz
Die Freundinnen Lila und Elena © Ralf Hinz

Meine geniale Freundin

Der literarische Welterfolg von Elena Ferrantes auf der Bühne: Die Theaterei
Herrlingen
kommt mit der bewegenden Lebensgeschichte zweier Frauen ins
Altonaer Theater

 

Als epochales Werk wurde der vierteilige Romanzyklus der italienischen Autorin ge-
feiert, der 2011 bis 2018 erschienen ist. Die „Neapolitanische Saga“ erzählt von den
Freundinnen Lila und Elena, die in einer Umgebung aufwachsen, in der derbe Flüche
 zum Umgangston gehören und das Silvesterfeuerwerk schnell in eine Schießerei
ausartet. Beide Mädchen sind klug, wetteifern in ihren Leistungen und träumen davon,
ihr Leben selbst zu bestimmen und der Armut zu entkommen. Doch die aufmüpfige,
draufgängerische Lila, die vollkommen unter der Herrschaft ihres gewalttätigen Vaters
steht, muss die Schule verlassen und in seiner Schusterei arbeiten. Die schüchternere
Elena hingegen lernt weiter, obwohl sie mit ihrer Bildung in ihrer Welt vorerst wenig
anfangen kann. Die Wege der beiden trennen sich, doch irgendwie bleiben sie immer
verbunden.

 

Den ersten und den zweiten Band der Tetralogie bearbeitete Edith Ehrhardt, Regis-
seurin und Leiterin der Theaterei Herrlingen, für ihre Bühne. „Wir sind ein kleines,
feines Kammertheater mit 125 Plätzen in der Stadt Blaustein (14.000 Einwohner) in
der Nähe von Ulm“, erklärt Ehrhardt. Ein festes Ensemble gibt es nicht, aber einen
Stamm von Schauspielern und Mitarbeitern. Der vielfältige Spielplan umfasst Dramen
ebenso wie Komödien, Matineen, Lesungen oder Kinderstücke. Schon zweimal war
die Theaterleiterin zum Privattheatertreffen nach Hamburg eingeladen und beide Male
wurde sie als Regisseurin mit dem „Monika Bleibtreu Preis“ ausgezeichnet: 2022 für
die Inszenierung von „Altes Land“ und 2023 für die Regie von Büchners „Woyzeck“.
Die Bearbeitung von Dörte Hansens Roman „Altes Land“, der von einer ostpreußisch-
en Flüchtlingsfamilie handelt, hatte Intendant Axel Schneider so überzeugt, dass er
eine Kooperation mit Edith Ehrhardt für die Produktion von Ferrantes‘ Romanen ver-
einbarte.


Das Stück „Meine geniale Freundin“ spielt in den 50er und 60er Jahren. „Da wird
ganz viel Zeitgeschichte aufgebrochen“, sagt Edith Ehrhardt, „aber es ist auch eine
sehr persönliche Lebensgeschichte.“ Die Handlung erstreckt sich von der Kindheit
im Armenviertel von Neapel bis zu der Zeit, in der Lila bereits verheiratet ist – mit
einem Mann, der sie betrügt und sich der Camorra anschließt –, während Elena in
Pisa studiert und ihren ersten Roman geschrieben hat. „Es ist spannend zu sehen,
wie das Leben für die Frauen in dieser Zeit mit ihren patriarchalischen Strukturen
besonders in Neapel aussah, wie sie das geprägt hat und wie sie ihre Talente zum
Teil nicht ausleben konnten“, meint die Regisseurin. Für Frauen habe sich inzwischen
zwar einiges zum Positiven geändert. „Aber in Ansätzen gibt es das in manchen ge-
sellschaftlichen Strukturen immer noch, dass wieder so eine Abhängigkeit entsteht,
ein Gefüge, aus dem man nicht herauskann.“


Es ist zwar nur ein Teil der ganzen Saga, doch Edith Ehrhardt verspricht sowohl
eine abgerundete Geschichte als auch einen Cliffhanger, der auf den zweiten Teil
ihrer Bearbeitung Lust machen soll. Den hat sie schon auf die Bühne der Theaterei
gebracht. Ob er jedoch auch nach Altona kommt, ist noch nicht gewiss.


„Furios gut“ urteilten Kritiker nach einem Gastspiel des ersten Teils in Stuttgart, und
„Bravouröses Spiel“ hieß es über die drei Darsteller, mit denen Ehrhardts Insze-
nierung auskommt, zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler. Den männlichen
Part übernimmt Frank Ehrhardt, Ehemann der Theaterleiterin. Sie vor, er auf der
Bühne: „Wir haben uns schon in dieser Rollenverteilung kennengelernt“, sagt Edith
Erhardt, „ich damals als Regieassistentin, er als Spieler. Das sind wir gewohnt. Aber
wenn wir die Theatertür zumachen, dann wird auch nichts Berufliches mehr bespro-
chen.“ Das wurde so konsequent eingehalten, dass sogar die beiden inzwischen
erwachsenen Kinder nicht vom „Theatervirus“ angesteckt wurden.


Als nächstes wird Edith Ehrhardt sich als Regisseurin ganz allein ihrem Mann wid-
men. Er spielt den Monolog „Regen“ von Ferdinand von Schirach. Ein Spiel um
Schuld und Vergebung, das sie als besonders geeignet hält für ihr Kammertheater,
in dem „man immer ganz nah dran ist“. Sie kann sich zwar vorstellen, auch einmal
ein großes Theater mit mehr technischen und künstlerischen Möglichkeiten zu
führen. „Aber es ist auch ein großes Glück mit einem eigenen kleinen Theater, weil
man da eine große Freiheit hat.“ Das weiß Edith Ehrhardt zu schätzen.

 

Brigitte Ehrich

 

Karten für die Aufführung finden Sie im Ticketshop

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